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Ein spartenübergreifendes Projekt
von Eugen Bednarek
Premiere: 11. 11. 2007 |
Meine Idee war, verschiedene Kunstsparten
und Künstler in einem Projekt zusammenzubringen.
Der Ursprung war
mein Zyklus von zehn Ölbildern, die ich selbst als entmythologisierte
Märchen, Legenden und Mythen bezeichnete,
kurz ANTI MÄRCHEN.
Ich motivierte einige
Literaten sich von meinen Bildern anregen zu lassen und Texte zu verfassen.
Formale Vorgaben gab es nicht. Entstanden sind Gedichte, Prosa-texte und
Lieder.
Von diesen Texten hat sich der Gelsenkirchener Musiker
Oliver Friedrich inspirieren lassen. Er vertonte
und illustrierte sie mit eigenen Kompositionen.
Die Schauspieler
Charis Nass und Fabian Sattler haben die literarisch-musikalischen
Beiträge darstellerisch interpretiert. |
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Prinzessin auf
der Erbse
Zicke,
wo liegt dein Problem?
Deine Empfindlichkeit?
Schönheit eines Schlafes
ist wie die Zeit
von Vergänglichkeit,
Fluchtpunkt des Augenblicks auf Leinen.
Gespannt.
Wie ein Aufstieg zum Himmel.
Und die Zukunft?
Hält dich die Erbse in Bewegung,
stört deinen Schlaf?
Aber er wird doch kommen,
der Schlaf.
Und er wird lange sein,
ewig lange.
Kannst es kaum erwarten, was?
Die Farbe brennt in meinen Augen,
wie der Tod in meinem Herzen.
Ich wünsche mit dem Pinsel die Erbse
weg
und ein Lächeln steht auf meiner Stirn.
Manfred Tautges
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Die Bremer Stadtmusikanten
Szegediner Gulasch äugt aus blechernen Henkeltöpfen.
Himmelblaue, Äugen,
Horn, Abgerissen.
Traurig, karg, Fliesen, Doppelgesichter
Milchfarben, ölig, schlimm,
Klauen, Hahnenkamm.
Angst, Tod und Leiden, sanft, gottlos, Seele?
Blicken, starren, Gischt,
Klecks, Morast, Wellen, wüten, entzweit,
entrissen, weggespült, ruchlos, treulos, Hyänen!
Kunst, Büffel, kalt, Gewalt, Hirn, dumpf, Mensch, Tier, Firnis,
Beitel, beharken, Klaue, Chimäre, Höllenhund, Schlächter,
Vieh, Häuten,
Fleischbeschauer,
Preßkopf,
Eisbein,
Aufschnitt,
Hackbank,
Knochensäge,
Fleischwolf!
Angekommen sind wir, wo die Märchen tot sind!
Himmelblaue Finsternis
Ingo Munz
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Ikarus
ich, ikarus
die atemluft noch so verdichtet
die traumsehne noch so gespannt
kein frei flug auf schienen
Johannes Günnewig |
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MARIONETTE
Du glaubst
Du glaubst
dass es immer so bleibe
dass ich erstarre
dass ich verharre...
Du glaubst,...
Aufgehängt hast du mich im Gelb, irgendwo
nahmst mir so viel
nahmst alles mir...
Goldener Regen ergießt sich über mich
Goldener Regen ergießt sich über
mich
Ach, das Gold, klebrig, schwer
in ihm beweg ich mich nicht mehr
Aufgehängt...
ich soll warten, nicht?
Bitte, nimm meine magere Hand
die zweite hab ich schon verloren
vom Warten geschrumpft, verdorrt
Verschmolzen mit dem goldenen Bild...
Verschmolzen mit dem goldenen Bild...
meine Linke
meine Rechte
beide gehörten einst dir
hoch erhoben, ihrer sicher
streckt ich sie gen Licht...
Kann nicht fliehen, ganz unmöglich
viel zu klein sind meine Füße
nicht zu ertragen
sind Wehmut und Warten
wie die Hoffnung,
dass du mich abhängst, hoffe ich
Leben kehrt in die Hände wieder
tanzen werden meine Beine
unterm Kleid, unterm Leichenhemd
(hässlich, ich weiß und schäme
mich)
zu schlagen beginnt mein Herz...
zu schlagen beginnt mein Herz!!!
und erwärmt,
und erwacht
alles ist in mir
was verschwunden schien
alles ist in mir
was verschwunden schien
atmen werde ich
das weiß ich...
atmen werde ich
das weiß ich...
Schau nicht, bitte
Berühre nicht mein Gesicht
Wie Pergament ist meine Haut
und ich atme kaum...
aber ich denke
aber ich fühle
aber ich bin, oder nicht?
und Augenlider – gleich Kastendeckel
und Augenlider, die schrecklich
schwer...
Leben kehrt in die Hände wieder
tanzen werden meine Beine
wachsen meine schönen Haare
sehen werd ich – alles – sicher!!!
Und die Hand, die ich vermisse,
dir gehören wird sie, und nur dir.
Ich bin sicher...
Ich bin sicher...
Ingmar Villqist
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Dornröschen
Lasziv
und unnahbar
im roten Tuch sündiger Liebe,
ganz Luder und doch Lady,
große Pose, der Welt entrückt,
schläfst du deinen
verwunschenen Schlaf.
Wartest du wirklich
auf einen Prinzen,
der den Zauber zerstört,
der dich wachküsst,
fordernd und ohne Rücksicht,
und zurückholt in ein Leben,
das dir hundert Jahre lang
erspart blieb?
Sei auf der Hut vor dem
allgegenwärtigen Dämon,
flüstert die dreizehnte der weisen
Frauen,
und dass sein Kuss
dich nicht verwandelt
in einen Frosch.
Du weißt doch,
die Farbe Grün steht dir
einfach nicht.
Wilfried Besser
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MIDAS
Wo er hinlangt, wirkt Wut
Was er anfaßt, wirft Blut
Welt wird rot
Bald reicht Tod
dem General
die Hand
Daniel Berg |
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Pegasus
Brennend knistern auf der anmutigen
Stirn
Flügel, die das Haar versengen.
Weit schwingend trugen sie einst das Wort,
den Suchenden, Neugierigen übers Papier hinaus.
Erlaubten einen anderen
Blick
und ließen uns schauen auf das Getümmel,
dem er schon entkommen war.
Entsprungen einem blutenden Rumpf
ist er gezäumt mit goldenen Bändern,
unbändig, unergründlich, ortlos und frei.
Ankommen in der Menge,
im Gewühl besinnungslos baden:
dabei sein ist alles, dabei sein ist viel.
Jetzt trabt er nach einem anderen Taktstock, tänzelt
und nickt.
Geführt und geliebt, strahlend und glitzernd
und im Dunkel glänzt der Preis.
Maria Hilber
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Rückkehr der Form (Phönix)
Den
Boden leckend, gibt sie sich nicht vergebens. Die Krisis ist die Chance
des Erneuernden;
die Krisis fließt: ein Strom, der sich hinaufgearbeitet
hat.
Das Feuer des Südens gebiert das Blaue, das Himmelblaue und das
Graue der kieseligen Strassen, das Hirnverbrannte. Hier zirpt es, dort
die Verheerung des Willens, des Alles -- das Armeöffnende im Dort
des Wagnisses. Licht ins Dunkel bringen, zu sich.
Zurück, sich Überwunden;
Schritte hallend in diesem Raum: wortlose Form.
Einst: Grammatik zerstückt, Unterbau pfauenfedernzerflossen, Mittelbau
voranschreitende Emanation, Schießen im Hirn.
Sie hat sich geordnet,
ihre Rippen gezählt, über
ihren Adamsapfel gestreichelt.
Sie leiht sich der Form, spricht:
Dort habe ich gestanden, ich wurde besprochen, gezählt viele Male, bis ich rippig und dann aschern
war; in meiner Asche wurde mit nackten Zehen herumgewühlt. Es hieß:
Sei wer du bist -- mit dem ganzen Zehendreck dazwischen.
Sie dreht sich
um, du sollst nicht in ihren Augen ertrinken, die im Werden stehen. Keine
Rache.
Du stehst in deinem Werden, während du hörst,
dass sie den Raum verlassen wird.
Du folgst ihr, schreist ihrem nackten
Busen hinterher.
Sie, sie wird schweigen.
Sie hat dir eine Form geliehen.
Mariusz Lata
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Pariser Blau
Alle
Tränen sind geweint
Alle Tränen sind geweint
Bin
ich das?
Bist
du das?
Bin
ich das?
Bist
du das?
Wie flinke Fingerkuppen
schälen deine Worte mich
Ich
bin ich.
Du
bist du.
Ich
bin ich.
Du
bist du
Nur lauschen
dich anhimmelnd
Bin
ich das?
Und
nicht du?
Ringsumher erblick ich dich
wendet sich mein Kopf dir zu
Es
schmerzt mich …
Ärgert`s
dich?
Es
schmerzt mich …
Ärgert`s
dich?
Breite meine Arme aus
Dir gehören will ich ganz
Wieder
falsch
Und
verkehrt
Kommen einfach nicht zusammen
Diese beiden Einzelteile
Ich bin ganz ins Blau getaucht
Ringe um den letzten Hauch
Hilf
mir …
Hilf
mir …
Nein, so schamlos bin ich nicht
Wende dich nicht ab von mir
Hilf
mir …
Hilf
mir … Was kann ich tun? Weiß ich nicht
Übermal die
Welt um mich
Schau
zu mir
Bitte
schau
Du weißt immer, wann ich da bin
- Weißt wann Tag ist und wann
Nacht -
Und wenn du es nicht mehr weißt
Bin ich nicht mehr da
Halte
mich
Und
nur mich …
Halte
mich
Und
nur mich …
Ingmar
Villqist
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Nachhall (Heiliger
Georg, Heiliger Martin, Ritter)
Wohlgeformt mit deutlichen Konturen
sind dort im Schnee,
der unter sich den Pfad
verborgen hält, noch jetzt die raschen Spuren
zu sehn, die niemand
je gesehen hat.
Nun hülle ich mich fest in dieses Tuch,
das ich soeben erst mit meinen
kalten,
vereisten Händen nahm, in dem Versuch,
die Eintracht des Momentes festzuhalten.
Doch bleibt von allem nur Geruch
zurück,
so wie der Nachhall uns den letzten Ton
des Orgelschlußakkords noch für ein Stück
bewahrt - und
kaum bemerkt, verfliegt er schon.
Simon Meier |
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